Da hat man sich wochenlang auf einen Marathon vorbereitet und viele Stunden mit dem Training bei teilweise sehr unwirtlichen Bedingungen verbracht, und nun? Man schaut aus dem Fenster und die ersten schönen Tage locken duftend und warm und laden somit zum Laufen ein. Vielleicht findet gerade auch noch eine regional beliebte Laufveranstaltung statt oder aber viele deiner Kameraden verabreden sich zu einem ausgiebigen Lauf am Wochenende bei Prachtbedingungen.
Und Du? Sollst die Füße still halten.
Immer wieder kommen vor allem Freizeitläufer in eine solche oder ähnliche Situation, wo sie dem Zwiespalt begegnen zwischen strukturiertem und planorientiertem Training einerseits und Lauflust bzw. Gelegenheiten andererseits. Der alte Spruch und Grundsatz „Das Training richtet sich nach dem Plan und nicht nach Gelegenheit“ fällt mir da spontan ein.
Bei näherer Betrachtung gibt es viele Situationen, die uns in dieser Hinsicht vom vorgegebenen Weg abbringen können:
- Trainingscamps und die hiermit oft verbundenen komfortablen Möglichkeiten
- Lange Wochenenden
- Laufveranstaltungen, die „nicht in den Plan passen“
- Soziale Aspekte (Lauffreunde, Lauftrefftermine…)
- Naturbegebenheiten (die ersten schönen Tage, Blütezeiten, schöne Strecken…)
Wie gehst Du damit um, wenn Dein Trainingsplan mal mit Deinem „Ich-pfeif-jetzt-mal-auf-alles-Syndrom“ in den Ring steigt? Oder kennst Du das etwa gar nicht, dass Du eine 1000er-Einheit auf der Bahn absolvieren willst, aber Dich auf dem Heimweg von der Arbeit ein blühendes Rapsfeld lockt und heute lt. Wetterprognose der letzte schöne Tag für diese Woche ist? Bist Du da immer knallhart?
OK, Respekt! Aber wie ist es mit dem Rest von uns, der ab und an mal das Verlangen verspürt, lieber mit der Lauffreundin die gemeinsame Lieblingsstrecke zu genießen (ist doch schon ewig her) als im Stadion allein die Runden zu drehen um den läuferischen Altar der Trainingspflichten zu schmücken.
Da hier ja nicht der Cheftrainer schreibt, darf ich auch trainingsmethodisch unpopuläre Meinungen vertreten. ;-) Also ich finde ja, dass ein Mensch, der sich in seinem Hobby freiwillig einem anspruchsvollen Plan unterwirft, meine Achtung verdient. Das ist schwer genug. Selbst Jan Fitschen, der ja als ein positiver, lustiger und eher lockerer Typ daherkommt, hat sehr aktuell in einem Interview mit der FAZ eingeräumt: „Laufen ist kein Funsport.“ Das soll doch mal was heißen!
Die oben angesprochene Freiwilligkeit sollte man sich selbst auch beizeiten mal beweisen. Warum? Aus zwei Gründen. Erstens: Wenn der Drang, mal für einen Moment neben dem Plan zu laufen, so hoch ist, dann hat das seinen Grund. Sollte das also die Summe der in den letzten Wochen aufgebrachten Energie sein, dann kann es sehr ratsam sein, hier einmal nachzugeben. Zweitens: Wenn ich mir dauerhaft bei solchen Situationen verbiete, mal kurz vom Pfad des Trainingsplanes abzuweichen, dann suggeriere ich mir damit doch, dass ich eben NICHT mehr wirklich freiwillig handle sondern funktioniere. Was das für die Leistungsfähigkeit dauerhaft bedeutet, muss ich nicht erklären.
Andererseits bieten die „Verlockungen“ oft auch noch andere Möglichkeiten als hopp oder top. Zumeist lässt sich nämlich eine gute Kompromisslösung finden. An gesellige Runden lassen sich gut noch Kilometer anschließen oder vorschalten. Bei Laufveranstaltungen schaffen es viele von uns auch, nicht durchzudrehen, sondern ihr Training gesteuert im Rahmen des WK zu absolvieren. Freiräume (Trainingslager, Urlaube…) lassen sich auch gut für bislang vernachlässigtes Ergänzungstraining nutzen. Das schlechte Gewissen ob der ausgefallenen 1000er Einheit auf der Tartanbahn lässt sich eindämmen, wenn die letzten 5 K des schönen Dauerlaufes zwischen den Rapsfeldern auf Anschlag gelaufen werden.
Dieser Newslettertext würde die Zensur des als harten und unnachgiebig bekannten Cheftrainers Jens Peters (J!!!!) sicher nicht überstehen, wenn ich nicht zum Schluss ein paar relativierende Worte anfügen würde. Mein Ratschlag, sich einfach auch mal etwas Spontanes zu gönnen, bezieht sich selbstredend auf Einzelsituationen. Sollte es bei Dir zum täglichen Brot gehören, Dich mich Gründen für eine Verschiebung/Streichung von Trainingseinheiten zu beschäftigen, dann solltest Du Dir mal ein paar grundsätzliche Gedanken zu Deinem Weg gestatten und dabei ehrlich mit Dir sein. Denn auch das gehört dazu, den eigenen Pfad beizeiten mal zu überprüfen.
Ansonsten gilt: „Disziplin ist die Fähigkeit zu unterscheiden. Zwischen dem was Du unbedingt willst und dem, was Dir wirklich etwas bedeutet.“
Vielleicht nutzt Du ja ein paar entspannte Kilometer bei einem „Rapsody Run“ dazu, diese Unterscheidung mal wieder vorzunehmen.
Viel Freude dabei!
Ralph
Ähnliche Artikel finden:
Ralph Lössner