Kapitel 1: Countdown zur Bestzeit (Seite 39-41)

...Höchstpuls-Test: Holger-Spezial

1. Gehe in einen möglichst kurzen Wettkampf zwischen 400 und 1.500m.
2. Lade deinen Chef und eine von dir verehrte, aber noch nicht erhörte Dame (oder einen Herren) zu diesem Ereignis ein. Sie zu, dass an diesem Tag auch dein Holger Meier am Start ist. Kündige diesem eine vernichtende Niederlage an. Unterdrücke deine Unsicherheit, mach ein paar lockere siegessichere Sprüche, stolziere möglichst "cool" auf dem Platz umher und lade deine Kumpels im einer Niederlage zu einem luxuriösen Essen ein. Lasse im Rennen Holger Meier bis zur letzten Kurve führen und greife dann an. Nie wird dein Puls höher sein. Mit den nicht ganz ernst zu nehmenden vorhergehenden Zeilen möchte ich dir nur klarmachen, dass du dir eine Motivation verschaffen musst, um deine Grenzen zu erreichen. Mit locker Loslaufen und mal schauen, was dann kommt, erreichst du deinen HP nie.

Hast du jetzt mit dieser Hilfe deine maximale Herzfrequenz ermittelt, dann ist alles ganz leicht. Du setzt einfach folgende Prozentsätze des Höchstpulses für die einzelnen Dauerläufe an:

GA1-Bereich = Grundlagenausdauer 1

Regenerativer Dauerlauf: 65 - 68%
Extensiver Dauerlauf: 68 - 72%
Mittelintensiver Dauerlauf: 72 - 76%
Intensiver Dauerlauf: 76 - 80%

GA2-Bereich = Grundlagenausdauer 2 oder auch aerob-anaerober Übergangsbereich

Tempodauerlauf 1: 80 - 84%
Tempodauerlauf 2: 84 - 88%
Intensiver Tempolauf-Bereich: über 90%
Wiederholungsläufe unter 5 km: über 90%

Sonderfälle

Alle Steigerungen: bis 90%
Bergaufläufe in der Regel nicht: über 85%

Die Mischung macht's:

Regenerative, extensive Läufe können pro Woche in jeder Anzahl eingesetzt werden. Auch wenn sie für sehr viele Läufer das Mittel der Wahl sind, solltest du mittelintensive Dauerläufe (schmerzen nicht besonders und beruhigen aufgrund des flotten Tempos das Gewissen) nur selten einsetzen, weil sie weder einen hohen Trainingseffekt noch eine gute Regenerationswirksamkeit haben. Du kannst dein Talent nur dadurch ausschöpfen, wenn du harte Belastungen eingehst und diese regenerativen Einheiten folgen lässt.

Den größten Trainingseffekt erzielst du im aerob-anaeroben Übergangsbereich. Dieser beginnt bei etwa 82% vom HP und reicht bis etwa 88%, wobei die 85% einen kritischen Punkt darstellen. Oberhalb dieses Prozentsatzes wird deine Energiegewinnung zunehmend auf dem anaeroben Wege bewältigt. Oberhalb von 88% kommt es dann auf jeden Fall zu einer Kumulation von Laktat, die Dauerlaufgrenze ist überschritten und es erfolgt auf kurz oder lang ein Leistungsabbruch. Nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist das Laktat, welches wir unter Belastung messen, nicht oder nicht allein der Grund für einen Leistungsabbruch. Daran sind mehrere andere Stoffe beteiligt, darum spricht man heute eher von Ermüdungsstoffen. Der trainingseffektivste Bereich von 80 bis 85% des Höchstpulses sollte aber nur ein- bis zweimal wöchentlich eingesetzt werden, Der intensive Tempodauerlauf-Bereich mit Belastung über 90% des HP auf jeden Fall nur einmal innerhalb von sieben Tagen.

Pulstraining auf dem Rad?

Nein! Du kannst deinen Höchstpuls auf dem Fahrrad aufgrund der geringeren eingesetzten Muskelmasse nicht erreichen. Beim Radtraining müssen die Pulswerte 10 bis 15 Schläge unter den durch Laufen ermittelten Werten liegen. Ermittelst du hingegen deine maximale Herzfrequenz auf dem Rad, kannst du die oben beschriebenen Prozentsätze wieder anwenden.

Noch ein Wort zur Ungenauigkeit des Pulstrainings. Es kann allein durch Klimaeinflüsse (z.B. sehr heiß) dazu kommen, dass der Puls 15 Schläge höher ist als unter Normalbedingungen. Diese 15 Schläge kannst du dir aber nicht als Training anrechnen, weil Training immer Muskelarbeit voraussetzt. Die beschriebene Pulserhöhung wird vom Organismus nicht für diese verlangt, sondern für die Thermoregulation. Etwas sarkastisch, aber das beste Beispiel: Du sitzt in der Sauna und hast Puls 125. Prima, das ist dein extensiver Dauerlaufpuls und du brauchst dafür nur zu sitzen und zu schwitzen. Warum denn draußen herumrennen, wo doch hier drinnen dein Puls genauso hoch ist wie beim Lauftraining. Du gibst das Laufen auf und gehst jeden Tag 1h in die Sauna. Deine Beine werden zwar immer dünner und du wirst immer kurzatmiger, aber es kann dir nichts pasieren, denn dein Pulser zeigt den richtigen Trainingsbereich an.

Das ist gar nicht so lustig, es gibt einige "Nichthinterfrager", die ordnen der Sauna für uns Läufer einen Trainingseffekt zu. Hat sie auch - auf die Schweißdrüsen. Merke: Bei unserem Training werden immer Muskeln bewegt...

Ich betrachte die Anzeige auf dem Pulsmesser wie einen Hund, der mit mir läuft. Er rennt zwar auch die Strecke, hat aber allerlei Unsinn im Sinn, schnüffelt mal hier mal da, balgt sich herum, kläfft irgendjemanden an, rennt einer interessanten Hündin nach und legt mal aus welchen Gründen auch immer wieder einen Spurt ein. Wenn wir dann beide zu Hause sind, haben wir zwar den gleichen Weg zurückgelegt, aber unsere Interessen auf der Strecke waren doch sehr unterschiedlich. So ist das mit deinem Herz-Kreislauf-System auch, es arbeitet halt nicht nur für das Laufen, mal muss es kühlen, dann heizen, ebenso auf  Ärger oder Freude reagieren und auch die "interessante Hündin" in menschlicher Form kann, wie schon lange bekannt, die Herzen höher schlagen lassen.

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Peter Greif

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