Das Ziel: Die Strategie entscheidet über den Erfolg (Seite 126-129)

Nutze dein geistiges Potenzial: Taktik - ein großes Wort. Unter dieser Formel ließen und lassen Feldherren Heerscharen von ihren Soldaten dahinmorden, um dann die Mörder auf möglichst listige weise in noch größerer Anzahl ins Jenseits zu befördern. Ehefrauen luchsen ihrem Angetrauten mit einer ausgeklügelten Strategie einen neuen Pelz ab und gehen dabei taktisch so geschickt vor, dass der Betroffene am Ende meint, er wäre derjenige gewesen, der seine ständig über stinkende Trainingsklamotten motzende Gattin mit diesem tierischen Haarkleid beglücken wollte. Schachspieler rühmen sich, die hohe Kunst des taktischen Verhaltens auf das höchste Niveau gestellt zu haben. Dieses Spiel der Könige - oder sollen wir lieber sagen das Spiel der Generäle - ist ja nichts weiter als eine spielerische Schlacht auf dem Brett mit Figuren, die angreifen, verteidigen, siegen oder geopfert werden. Bei ganz naher Betrachtung hat also Taktik doch etwas mit Krieg oder mit Kampf zu tun. 

Die Strategie des Marathonlaufs

Auch der Marathonlauf erfordert eine Strategie und kann taktisch geprägt werden. Nun hört aber alles auf! Unser schöner Sport, Schlacht, Krieg, Militär und sonst noch was! Oder? Sind doch die Grundsätze der Taktik: Einsatz der angemessenen Mittel, Tarnung und Täuschung, Fähigkeit der Anpassung an veränderte Situationen, Bildung von Schwerpunkten, Vermeidung einer Zersplitterung der Kräfte und Initiative.

Na ja, vielleicht doch, kommt ja eigentlich alles hin. Im Wettkampf brauchen wir alle diese Dinge. Wobei uns eins klar sein muss, gegenüber den taktischen Möglichkeiten, wie sie z.B. die großen Sportspiele zulassen, sind unsere Variationsmöglichkeiten sehr gering. Wer jemals intensiv eine Mannschaftssportart wie Handball, Basketball oder auch Fußball ausgeübt hat, weiß das. Dennoch haben wir die Fähigkeit, durch kluges taktisches Verhalten einige Minuten im Rennen geschenkt zu bekommen.

Aus der Praxis; "Nichts macht mich in meiner Trainingsgruppe so wild, wenn ich sehe, wie hart die Burschen und Mädchen trainieren und vor oder im Rennen machen sie eklatante taktische Fehler und gehen ganz jämmerlich ein. Da kann mir schon mal die Galle hochkommen. Bei der vielen Arbeit, die in der Vorbereitung geleistet wurde, muss es für jeden ein besonderes Ziel sein, sich unmittelbar vor und im Wettkampf so geschickt zu verhalten, dass er seine Kraft auch in eine möglichst optimale Leistung umsetzen kann. Alle Gefahren und Möglichkeiten müssen durchdacht werden, um Vorsorge zu treffen." Denn Vorsicht: "Erfolg oder Misserfolg entscheidet sich oft schon auf den ersten Kilometern!"

Der Wettkampf beginnt mit dem Aufstehen

Deine Endzeit wird nicht erst mit dem Startschuss festgelegt, sondern dein Wettkampf beginnt am Morgen des Laufes. Darum diese kurzen, nicht erschöpfenden Hinweise für dein Verhalten vor dem Start:

Frühstück: Das Frühstück ist leicht und ballastarm, wenn der Wettkampf am Vormittag stattfindet. Kein Müsli mit seinen hohen Spelzenanteilen, kein Obst, kein Salat oder Gemüse. Jetzt kommt es nicht mehr auf die Gesundheiten an, sondern auf einen unbelasteten Magen und einen leeren Darm. Mach dich frei von der Ernährungsideologie, denn wenn du dich bis zu diesem Tag nicht optimal ernährt hast, hilft dir jetzt dein Müsli auch nicht mehr.

Früh frühstücken! Steh so früh auf, dass du dein Frühstück mindestens 2 h vor dem Wettkampf verzehrt hast. Angebracht und meistens verfügbar sind Brötchen, Grau- oder Weißbrot (kein Vollkornbrot!) mit Butter, Honig oder Marmelade. Danach vielleicht ein bis zwei Riegel Schokolade. Das reicht, du hast alles, was du für den Wettkampf brauchst. Als Getränk bietet sich meist Tee an. Viele Athleten brauchen vor dem Wettkampf ihren starken Kaffee, weil sie die Wirkung des Koffeins benötigen. Dann verzichte aber auf die Milch und trink lieber einen Espresso. Kaffee wirkt nicht entwässernd!

Wie schon einmal erwähnt, habe ich diesen text erstmals 1986 geschrieben und dort stand dann an dieser Stelle: "Besser ist aber, auf den braunen Muntermacher zu verzichten. Kaffe wirkt entwässernd. Einfach ausgedrückt: Bei drei getrunkenen Tassen verlässt die Menge von vier Tassen den Körper als Urin. Ein unakzeptabler Umstand, wir brauchen dieses Wasser ganz dringend im Wettkampf."

Ich muss zugeben, dass dieser Absatz falsch ist. Es war aber damals der Stand der Wissenschaft. Leider hat niemand nachgemessen, wie viel Urin den Körper nach drei getrunkenen Tassen Kaffee verlässt. Wir haben alle damals nach unserem Gefühl gehandelt. Wir trinken Kaffee ja meistens nicht aus Durstgründen, sondern sind Kaffeegewohnheitstrinker zu bestimmten Mahlzeiten oder auch soziale Mittrinker: "Komm, wir trinken erst einmal eine Tasse Kaffee zusammen." Wenn man dann zwei oder drei Tassen in sich reingeschüttet hat, kommt nach kurzer Zeit der Blasenentlastungsreiz. Somit war uns allen klar, dass Kaffee entwässert, denn die Reaktion wa ja da. Im gegensatz dazu passierte das nicht, wenn wir andere Flüssigkeiten zu uns nahmen, wenn wir durstig waren.

Im Gegenteil: Es gibt mehrere wissenschaftliche Studien von der positiven Wirkung von Kaffee. Wer kein Kaffee trinken mag, kann eventuell diesen als Tablette zu sich nehmen, und zwar pro 15 kg Körpergewicht 50 mg. Eine Tasse Kaffee enthält 100 bis 150 mg Koffein. Ich weise darauf hin, dass Koffein in größeren Mengen als angegeben giftig ist. Diese Tatsache hat auch dazu geführt, dass es nach den internationalen Dopingbestimmungen kein Koffeindoping mehr gibt. Der Grund, diese Bestimmung zu streichen, liegt daran, dass sich gerade bei den Mengen, bei denen früher die Strafbarkeit anfing, die Leistung verschlechterte. Gott sei Dank, dass es diese Grenzwerte nicht mehr gibt. Denn jeder Athlet musste Angst haben, irgendwann eine Tasse Kaffe oder Tee zu viel getrunken oder auch zu viel Schokolade zu sich genommen zu haben. Denn dies enthält auch Koffein.

Dazu noch eine Anekdote: Eine deutsche Schwimmerin wurde bei einer nationalen Meisterschaft zur Dopingprobe ausgelost. Sie konnte aber leider nicht sofort die Probeflüssigkeit abgeben. Und so wartete sie im Proberaum auf die entsprechende Blasenfüllung und bat um etwas zu trinken. Man bot ihr Kaffee oder Wasser an. Sie nahm Kaffee, trank fünf Tassen davon und wurde prompt wegen Dopings gesperrt. So etwas nennt man Künstlerpech.

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Peter Greif

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