Kapitel 1: Countdown zur Bestzeit (Seite 59-63)

Countdown der Start

Montag, 3 Woche:

Gruppe 4: 15 km Tempodauerlauf, Puls über 82-86% vom HP
Gruppe 5: 16 km Tempodauerlauf, Puls über 82-86% vom HP
Gruppe 6: 17 km Tempodauerlauf, Puls über 82-86% vom HP
Gruppe 7: 18 km Tempodauerlauf, Puls über 82-86% vom HP
Höchstens 1 km ein- und auslaufen.

Tempo: Möglichst im geplanten Marathonrenntempo

Wenn du das Gefühl hast, das Marathonrenntempo noch nicht über die ganze Strecke durchlaufen zu können, dann beginne langsamer und steigere dich erst im Verlauf des Trainings auf die vorgeschriebene Geschwindigkeit. Auf jeden Fall solltest du zumindest die letzten 5 km entsprechend schnell laufen können.

Dienstag, 3 Woche:

Gruppe 4: Pause
Gruppe 5: Pause
Gruppe 6: 15-20 km extensiver Dauerlauf, Puls 65-72% vom HP
Gruppe 7: 15-20 km extensiver Dauerlauf, Puls 65-72% vom HP

Tempo: 45-60 sec langsamer als das geplante Marathonrenntempo. Ein paar Steigerungen erhöhen deine Chancen. Insgesamt aber nicht schneller werden!

Aus der Praxis
Die Pausenlänge!

Du wirst es erleben, dass dich deine läuferische Umgebung wegen der Länge deiner Trabpausen angreift. Besonders leichtathletisch ausgebildete Mittelstreckler werden deswegen mit harschen Worten belegen. Bei denen ist es nämlich üblich, eine kurze Pause zu machen. Als ich zu laufen begann, hatte ich auch solche Trainer. Nur wunderte ich mich, warum ich nach einem Training mit kurzen Pausen ganz schnell in Form kam, aber 14 Tage später in solch ein tiefes Formloch fiel, dass die längste Leiter nicht ausreichte, um über den Rand des Lochs hinauszuschauen. Man sagte mir, dass das kein Problem sei und alles wiederkomme. Irgendwann kam sie auch wieder, die Form, aber nur, nachdem ich mich drei Wochen ohne Tempoläufe mit Dauerläufen im Wald versteckt hatte.

Dann ging ich wieder hin und keulte z.B. 20 x 400 m in 59 bis 61 sec mit 200m Trabpause. Ein völlig überzogenes Training für jemanden, der knapp unter 16 mn auf 5.000m lief. Nach jedem 400er hatten wir dann wahrscheinlich 10 mmol Laktat im Blut. Im Verlauf des Trainings kumulierte dieses dann immer mehr, dass wir nach Ende des Trainings wahrscheinlich genug Säure im Blut hatten, um darin Gurken einzulegen.

Nachdem der ganze Spandauer Forst - ich studierte damals in Berlin und wohnte in Spandau - von meinen Formlöchern übersät war, ging ich nicht mehr zu diesem Training und fing selbst an zu experimentieren. Das Erste, was ich zweifelsfrei feststellte, war die Tatsache, dass eine lange Trabpause, und zwar in etwa der Länge des Tempostücks, verhinderte, dass ich ständig Formkrisen bekam. Später, als ich dann selbst Trainer war, konnte ich genau das Gleiche auch an den von mir Trainierten feststellen. Die lange Pause schützt irgendwie. Warum, war nicht klar. Mit meinen Ansichten blieb ich nicht alleine, auch andere Trainer machten gleiche Erfahrungen und setzten auf eine lange Pause. Es änderte abber bis heute nichts daran, dass jede Menge Übungsleiter bis dato an ihrer kurzen Pause festhalten. Obwohl man es jetzt genau weiß oder wissen sollte, dass diese für Langsteckenläufer ziemlich schlimme Auswirkungen hat.

Aus der Forschung

Durch die Veröffentlichungen von G. Neumann wissen wir um die Schäden, welche Laktat in unserem Organismus anrichten kann. Es ist nicht eigentlich das Salz der Milchsäure, sondern der Säurerest (H+-Ion), der nach der Verstoffwechselung vom Laktat übrig bleibt. Diese Ionen schädigen die Zelle direkt und lassen sie absterben. Diese Beeinträchtigungen treten aber erst auf, wenn Laktat von über 5 mmol eingegangen werden. Da es nicht möglich ist, erfolgreich ohne Laktatbildung zu trainieren, müssen wir Langstreckenläufer verhindern, dass die Milchsäure im Blut nicht über längere Zeit über den Wert von 5 mmol ansteigt. Das gelingt bei Wiederholungsläufen nur mit einer langen Pause. Denn bei nicht ausreichender Pause kumuliert das Laktat zu immer höheren Gehalten.

Rechenbeispiel

Ich möchte das einmal in einem Beispiel anhand einer Einheit von 6 x 1.000 m deutlich machen, bei der am Ende der Belastung ein Laktat von 6 mmol eingegangen wird. (das ist ein idealisiertes Beispiel, welches einen Trend aufzeigt. In der Praxis können sich andere Werte ergeben. Der Ausgangswert von 0,5 bis 1,0 mmol wird aus praktischen Gründen vernachlässigt. Alle Werte sind in mmol angegeben).

Nach 1.000 m Mit 400 m Trabpause Mit 1.000 m Trabpause
Nach 1. Lauf 6 mmol, Abbaurate 5 6 mmol, Abbaurate 6
Nach 2. Lauf 7 mmol, Abbaurate 5 6 mmol, Abbaurate 6
Nach 3. Lauf 8 mmol, Abbaurate 5 6 mmol, Abbaurate 6
Nach 4. Lauf 9 mmol, Abbaurate 5 6 mmol, Abbaurate 6
Nach 5. Lauf 10 mmol, Abbaurate 5 6 mmol, Abbaurate 6
Nach 6. Lauf 11 mmol, Abbaurate 5 6 mmol, Abbaurate 6


Bei diesem Beispiel hat unser Läufer mit der kurzen Trabpause spätestens nach dem fünften Tempostück so viel Laktat im Blut, dass er auch schon während der ganzen Pause die Schädlichkeitsgrenze vom 5 mmol überschreitet. Bei 900 m Trabpause mit vorgeschalteter Gehpause von 100 m wird aber ein vollständiger Abbau erreicht und die Schädlichkeitsgrenze wird nur in einem kurzen Zeitraum überschritten. Erst nach den Veröffentlichungen von Neumann wurde mir auch klar, warum fast jeder hochklassige Läufer mit meinen Plänen in der Vergangenheit zurechtkam, es aber manchmal zu ernst zu nehmenden Klagen kam von jemanden, der sich mit dem Countdown völlig übertrainierte. Und zwar waren das in der Regel langsamere Läufer, die wenig tranierten oder vor dem Einstieg in diesen Trainingsplan bisher wenig trainiert hatten.

Es ist so - und das ist auch noch nicht so lange bekannt -, dass die Fähigkeit, Laktat zu produzieren, mit steigender Ausdauerleistung schwindet. Ein hochtrainierter Athlet muss sich schon gewaltig "die Peitsche geben", um überhaupt die 5-mmol-Grenze zu überschreiten. Jemand, der aber nur drei- bis viermal in der Woche trainiert und vielleicht, bevor er mit dem Countdown begann, überhaupt keine Tempoläufe absolvierte, braucht vielleicht nur eine etwas härtere Steigerung zu laufen, um über diesen Wert zu kommen.

Die Quintessenz aus diesen Erkenntnissen ist: Je leistungsschwächer du bist und je weniger Umfang du machst, desto genauer musst du dich an die Tempovorgaben halten und die Pause eher länger machen, als sie abzukürzen. Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich am Anfang geschrieben habe. Dieser Plan ist gefährlich! Er ist nicht für Anfänger und Jugendliche geeignet!

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Peter Greif

Kommentare

Vielen Dank für den heutigen Newsletter mit dem Thema zum “AUS DER PRAXIS
DIE PAUSENLÄNGE!”

Aus eigener langjähriger Mittelstrecken-Erfahrung (Bestzeit 1:58) kann ich genau diese Form der Pausengestaltung bestätigen. Lange Pausen, gerade in der Anfangszeit der Läuferkarriere “riskieren”. Durch “amateurhafte” Herangehensweise mit dem Effekt einer “übertriebenen” Vorsichtigkeit bei der Pausengestaltung, konnte ich als Laufeinsteiger mit 16 Jahren in der Leichtathletik (eher Mehrkampf-Training mit Talent zur Mittelstrecke aber zu geringer Grundschnelligkeit) innerhalb von 3 Jahren meine Bestzeit von 2:17 über 2:09 – 2:06 zu 1:58 steigern.
Der Mut bei der Pausengestaltung auf das Körpergefühl zu achten, war heute im Rückblick auf die 80er und 90er Jahre gesehen der Schlüssel für eine beachtliche Steigerung der 800m Bestleistung.

Gerade in der Anfangszeit einer Läuferkarriere kann so der Einstieg in die “Tempolauf-Geschichte” zum Erfolg führen – mit dem positiven Nebeneffekt, dass man sich über die lange Trainingseinheiten aufgrund der Pausengestaltung auch im Stadion auf der Rundbahn schnell zu Hause fühlt – denn ein schnelles dahin donnern der Trainingseinheit und dann wieder Abflug ist so nicht möglich.

Wie zu meist: Interessant diesen Ansatz des Tempo-Trainings 35 Jahre danach immer noch analytisch richtig zusehen

Michael Roder am

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