Countdown: 2. Tapering-Phase (Seite 98-105)

8. Woche: Wettkampf

Jetzt kommt die Phase, wo es nur auf eins ankommt: "erholen und Kraft schöpfen. Geh raus in den Wald, bring deine Psyche auf Trab, lege dir deine Taktik zurecht und vergiss das Wort Tempo."

Donnerstag, 8. Woche

Gruppe 4: Pause
Gruppe 5: Pause
Gruppe 6: Pause
Gruppe 7: 10-12 km regenerativer Dauerlauf, Puls über 62-68% vom HP

Tempo: 60-75 sec langsamer als das geplante Marathonrenntempo.

Freitag, 8. Woche

Gruppe 4: Pause
Gruppe 5: 5-6 km extensiver Dauerlauf, Puls 65-72% vom HP
Gruppe 6: 5-6 km extensiver Dauerlauf, Puls 65-72% vom HP
Gruppe 7: 6-8 km extensiver Dauerlauf, Puls 65-72% vom HP

Tempo: 45-60 sec langsamer als das geplante Marathonrenntempo. Zwei leichte Steigerungen.

Samstag, 8. Woche

Gruppe 4: Morgens und abends je 1-2 km regenerativer Dauerlauf
Gruppe 5: Morgens und abends je 1-2 km regenerativer Dauerlauf
Gruppe 6: Morgens und abends je 1-2 km regenerativer Dauerlauf
Gruppe 7: Morgens und abends je 1-2 km regenerativer Dauerlauf

Tempo: Das Training an diesem Tag hat mit Sicherheit keine Wirkung mehr auf deine läuferischen Fähigkeiten, sondern fällt u.a. unter die Rubrik diätische Maßnahmen. Es ist nur effektiv, wenn es sofort nach einer Mahlzeit durchgeführt wird. Diese Mahlzeit sollte einen kräftigen Anteil an Zucker enthalten. Ein Glas Orangensaft reicht dazu schon.

Der theoretische "Background" ist der:

Der Reiz, in der Muskelzelle Glykogen zu speichern, wird ausgelöst, wenn diese Zelle arbeiten muss. Es wird umso mehr von der im Blut vorhandenen Glukose, die umgewandelt Glykogen ergibt, in die Zelle transferiert, desto höher der Glukosegehalt und das zur Einspeicherung benötigte Enzym Insulin im Blut ist.

Zucker, igitt...

Ich weiß genau, dass jetzt wieder einige Gesundheitsfanatiker die Stirn runzeln: "Zucker, igitt, wie kann er nur." Meine Antwort: "Nehmt Honig, ist zwar auch Zucker, aber beruhigt das Gewissen!" Selbstverständlich ist dieses Vorgehen nur in dieser so wichtigen Phase zu empfehlen. Sonst ist langkettige Glukose (Stärke) aus natürlichen Nahrungsmitteln mit all ihren Begleitstoffen wesentlich besser angebracht.

Die Sache mit den paar Trabkilometern am Vorwettkampftag hat noch einen anderen Sinn. Uns war schon lange klar, dass es bei einem Wettkampf am Abend sehr gut ist, am Morgen noch einige Kilometer zu laufen. Wir nannten das "locker machen". Dieses "Lockermachen" hatte zur Folge, dass das Rennen wesentlich besser lief als ohne dieses Verfahren. Andererseits war auch zu spüren, dass man, wenn tägliches Training die Normalität war, sich nach einem vollständigen Pausentag ziemlich schlapp fühlte. Einen weiteren Hinweis erbrachten die Fahrer der Tour de France, die während ihres dreiwöchigen Etappenrennens an den freien Tagen trainierten.

Warum ruhten sie sich nicht aus? Ganz überraschend waren auch die Auswirkungen vom zweimaligen täglichen Training während unserer Trainingsurlaube. Wie kann es möglich sein, dass manche Leute dort ihr Pensum verdreifachten, sich immer gut dabei fühlten und zusätzlich noch schneller als zu Hause liefen? Die müssten doch nach landläufiger Meinung völlig kaputt sein. Rätsel über Rätsel.

Training steigert die Leistungsfähigkeit der Mitochondrien

Training wirkt nicht, wie man früher immer annahm, hauptsächlich auf das Herz-Kreislauf-System, sondern viel mehr auf die Muskulatur. Ein Trainingsreiz lässt die Mitochondrien - die Kraftwerke unserer Zellen - anwachsen. Schon 15 km flotter Dauerlauf verdoppeln die Größe der Mitochondrien. 36 h später sind sie aber schon fast wieder auf ihrer Ausgangsgröße geschrumpft. Wenn aber, bevor die 36 h erreicht sind, z.B. am nächsten Tag oder gar 12 h später, ein weiteres Training dazukommt, wird dieses Schrumpfen aufgehalten und die "Kraftwerke" werden erneut größer. Die erhöhte Leistungsfähigkeit wird erhalten oder gar verbessert. Mit jeder Einheit, die du vor dem Absinken auf das Ursprungsniveau absolvierst, steigerst du die neue Leistungsfähigkeit auf ein höheres Leistungsniveau.

Jetzt wird dir auch klar, warum Leistungssportler täglich oder zwei- bis dreimal täglich trainieren, warum plötzlich die Leistungsschwächeren im Trainingsurlaub so fit sind, die Radfahrer während ihres freien Tages trainieren und du am Tag vor dem Marathon noch ein kleines bisschen laufen solltest. Alle wollen nur eins: "schöne dicke leistungsfähige Mitochondrien."

Die Erkenntnisse lassen auch negative Schlüsse zu. Einige Damen und Herren, die nicht so oft in der Woche trainieren können, müssen erkennen, dass sie nicht die gleichen Resultate erzielen können, wie die täglich Trainierenden. (Siehe die anfängliche Umrechnung von 10 km auf Marathonzeit zu Beginn des Countdowns.) Aber wie auch immer, du kannst dein Schicksal und auch dein Rennen beeinflussen. Wenn du alles richtig gemacht hast, dann hast du jetzt etwas drauf. Der Marathon kann kommen und die Burschen, die da was von dir wollen, auch. Wie Du es nun taktisch möglichst geschickt anstellst, deinen Hausrekord zu pulverisieren, folgt im nächsten Teil "Countdown: die Kraft der Psyche".

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Peter Greif

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