Kapitel 1: Countdown zur Bestzeit (Seite 21-24)
… nichts für über 60-Jährige
Jugend und Alter müssen sich ohne Frage unterschiedlich belasten. Wiederum halte ich nichts davon, jeder Leistungsklasse einen anderen Trainingsplan zu verpassen und diesen bei höherer Qualifikation immer anspruchsvoller werden zu lassen. Sicher kann jemand, der über 3h läuft, nicht die gleiche Intensität und den gleichen Umfang leistet wie ein Eliteläufer, aber die Art des Trainings kann gleich sein. Ich finde, auch du hast ein Training wie ein Weltklasseathlet verdient. Wer sich schon so quält wie wir, der hat das Recht, auf die ausgebuffteste und effektivste Art zu trainieren.
Du wirst erleben, dass dich deine sportliche Umgebung immer wieder für verrückt erklärt, dass du so viele Kilometer läufst. Man wird dich darauf hinweisen, dass andere Läufer viel weniger Kilometer trainieren, als du sie läufst, und dennoch deutlich bessere Leistungen erzielen. Das kann sein, aber bleibe skeptisch. Wenn es um die Menge der Wochenkilometer geht, neigt unsere Szene noch mehr zum Schwindeln als die erwischten Doper. Wenn du solch Fantasiemengen hörst, denk immer dran: „Die Bahn im Stadion ist vor Scham rot, weil sie ständig Lügen über die Anzahl der Trainingskilometer ertragen muss.“
Du musst das heiße Herz haben!
Wenn du mit diesem Programm anfängst, musst du schon brennen und noch das heiße Herz haben. Du musst wollen und du musst wissen, dass hart trainieren auch heißt, Schmerzen zu ertrage. Das Wort „Jogging“ ist ab jetzt ein Fremdwort für dich. Das heißt nicht, dass du dich mit dem folgenden Programm überlasten sollst, nein, da brauchst du keine Angst zu haben. Das Kind bekommt jetzt einen anderen Namen. Als Balsam für schmerzende Muskeln bekommst du ab und zu einen Regenerationslauf verordnet, und den kannst du so langsam laufen, dass dich auf deiner Hausstrecke die Nordic Walker überholen. Das was ich hier schreibe, ist erprobt, und alle Altersgruppen waren damit erfolgreich und keine ist krank geworden oder musste wegen einer Verletzung seine Karriere beenden. Voraussetzung ist aber, dass dein Arzt feststellt, dass du ein normal belastbares Herz-Kreislauf-System hast, Muskel, Sehnen und Knochen gesund sind. Dann steht diesem Training nicht mehr im Wege, außer dein innerer Schweinehund.
Umfang und Intensität
National und international wird und wurde ganz heiß die Diskussion über Umfang und Intensität im Training geführt. Allenthalben wird berichtet, dass die internationalen Spitzenläufer entweder auf mehr Intensität setzen und vom reinen Umfang weggehen und andere wieder unendliche Kilometer „klopfen“. Wobei ich mich immer wieder wundere, was – sogar in meiner eigenen Trainingsgruppe – die Athleten unter Intensität verstehen. Die meisten glauben, dass sie mehr 100-m-Intervalle im Training laufen müssen, andere erwarten, dass nun in jeder Einheit bis zum Anschlag gerannt wird. Aber kein Einziger ist sich klar darüber, dass 30 km als Tempodauerlauf schon ein höllisch intensives Training ist.
Im Grunde ist es ein alter Hut. In meiner Anfangszeit als Läufer habe ich alle Systeme ausprobiert, die so gängig waren. Dabei habe ich erfahren, dass das reine Beharren auf der Intensität genauso dusselig ist wie die sture Kilometerklopperei.
Es stellt sich daher nicht die Frage nach Umfang oder Intensität, sondern nur Umfang und Intensität. Wobei wir versuchen müssen, zwischen beiden Möglichkeiten ein Optimum des Verhältnisses zu finden. Das muss dein entscheidendes Ziel sein. Hier bist du gefordert, selbst zu forschen und in deinen Körper hinein zu fühlen. Die besonderen Nuancen dieses Zusammenspiels musst du selbst erfahren. Da kann der Plan dir nur eine Hilfe sein. Spür dich, spür deine Grenzen und verlass dich auf deine Intuition.
Auch andere fühlen sich platt…
Weiterhin möchte ich einmal versuchen auszudrücken, wie du dich beim Absolvieren dieses Programms fühlen wirst und wie deine Psyche reagiert. Niemand in all den schlauen Büchern sagt dir doch, wie sich ein überaus hart trainierender Sportler fühlt, wenn er genau wie du, platt wie eine Flunder, noch ein 1000-m-Tempostück laufen muss. Und wie ist es, wenn du dich alleine fühlst und glaubst, allen anderen fällt es leichter als dir. Vielleicht hilft es dir ja zu wissen, dass sich andere genauso quälen wie du. Glaube mir, ich weiß, was es heißt, hart zu trainieren und manchmal zu glauben, nichts geht mehr. Trainieren bis zum Übergeben – nicht nur sprichwörtlich. Ich wog austrainiert 85 kg, und wenn ich Marathon lief, dann war das so, als wenn du mit einem Wohnmobil ein Formel-1-Rennen gewinnen wolltest. Um diese Kilos in Bewegung zu setzen, musste ich schon knallhart zu Sache gehen.
Meine Spitzenleistung über die 42,2 km habe ich als 41-jähriger mit 2:24,12 erzielt. Dafür bin ich in der Vorbereitungszeit über 200 km in der Woche gelaufen und habe mich während der Tempoläufe so geschunden, dass sich Außenstehende erschreckt abwandten. Zu sehr spiegelten sich die Schmerzen meiner Muskeln und Organe in meinem Gesicht. Die gleichen Leute konnten es aber dann gar nicht fassen, mich am nächsten Tag mit meiner Gruppe fröhlich scherzend, im lockeren Tempo, ohne jede Anstrengung laufen zu sehen.
Darum denke an dich: „Der Schmerz ist auch bei dir immer nur vorrübergehend, Aber den Sieg hast du für immer!“
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Peter Greif