Wer auf Social Media unterwegs ist, wird wahrscheinlich schon mit dem Begriff plyometrisches Training in Berührung gekommen sein. Für alle anderen eine kurze Erklärung: Plyometrisches Training ist eine intensive Trainingsmethode, die auf schnellen, explosiven Bewegungen basiert. Das Ziel ist es, deine Schnellkraft und Reaktionsfähigkeit zu verbessern. Dabei nutzt du die Dehnungsreflexe deiner Muskeln, um maximale Kraft in kürzester Zeit zu erzeugen.
Wie funktioniert’ s:
- Dehnung und Kontraktion: Bei plyometrischen Übungen dehnst du deine Muskeln schnell und kraftvoll, um sie dann sofort wieder anzuspannen. Das ist wie ein Gummiband, das du zuerst spannst und dann loslässt.
- Explosivkraft: Durch diese schnellen Wechsel zwischen Dehnung und Kontraktion wird deine Explosivkraft gesteigert. Das ist besonders wichtig für Sportarten, bei denen schnelle Bewegungen und Sprünge entscheidend sind.
Beispiele für Übungen: Boxsprünge, Kniebeugen mit Sprung, Medizinballwürfe, Sprints.
Doch kann uns das Training auch zu besseren Läufern machen? Die Leistung beim Laufen hängt davon ab, wie viel Energie produziert und wie effizient diese Energie eingesetzt werden kann. Kurz gesagt: Erfolgreiche Läufer sind ziemlich fit und können schnell laufen, ohne viel Energie zu verbrauchen. Ein schneller Läufer ist das Gesamtpaket und besitzt beide dieser Eigenschaften und nicht nur die eine oder die andere.
Obwohl Lauftraining allein Ergebnisse bringen kann, reicht es oft nicht aus, um die Leistung vollständig zu optimieren. Deshalb werden Widerstands- und plyometrisches Training immer beliebtere Ergänzungen zum Läufertraining. Diese Trainingsmethoden sollen die Laufökonomie verbessern, indem sie die Fähigkeit des Läufers steigern, die Schwerkraft besser zu bewältigen, sodass bei jedem Schritt weniger Energie bei der Landung verschwendet wird. Obwohl die Einbeziehung von Übungen wie plyometrischem Training aus theoretischer Sicht sinnvoll sein kann, ist unser Verständnis ihrer praktischen Anwendung noch lange nicht vollständig.
Eine Studie aus 2022 liefert da interessante Erkenntnisse. Um zu bestimmen, wie wirkungsvoll eine kurzfristige plyometrische Intervention ist und wie sich die Intensitätsverteilung des Lauftrainings auf die Leistung auswirkt, rekrutierte eine Gruppe italienischer Forscher Läufer, um verschiedene Trainingsinterventionen durchzuführen. Sechzig gut trainierte Läufer mit einem durchschnittlichen VO2max von 60 ml/kg/min nahmen an der Studie teil. Sie wurden in vier separate Gruppen aufgeteilt, die jeweils acht Wochen lang trainierten:
- Eine Gruppe führte ein polarisiertes Lauftrainingsprogramm durch.
- Eine zweite Gruppe führte das gleiche Lauftraining durch und ergänzte es um ein plyometrisches Trainingsprogramm.
- Eine dritte Gruppe führte ein Pyramidenlauf-Trainingsprogramm ohne Plyometrie durch.
- Eine vierte Gruppe führte ein Pyramidenlauf-Trainingsprogramm durch und fügte aber auch Plyometrie hinzu.
Wichtig dabei war, dass das Lauftraining standardisiert wurde, sodass die Läufer trotz unterschiedlicher Verteilung der Trainingsarten die gleiche Gesamtbelastung leisteten.
Das plyometrische Trainingselement wurde bei denjenigen, die es einschlossen, einmal pro Woche durchgeführt – mit insgesamt 60 Sprüngen pro Sitzung, die in 6 Sätzen zu je 10 ausgeführt wurden. Jeder Sprung wurde als Drop-Jump ausgeführt; dabei sprangen die Probanden von einer Kiste und versuchten unmittelbar nach dem Aufprall auf den Boden so hoch wie möglich zu springen. Zwei Sätze wurden von einer 20 cm hohen Kiste durchgeführt; zwei Sätze von einer 40 cm hohen Kiste und zwei Sätze von einer 60 cm hohen Kiste aus.
Um die Wirksamkeit jeder dieser Interventionen zu ermitteln, führten die Forscher eine Reihe von Tests durch. Da sie ein umfassendes Verständnis der Auswirkungen der Interventionen wollten, führten sie Tests zu Kraft, Stoffwechselfitness und Ausdauerleistung durch. Die Probanden führten maximale Kniebeugensprünge sowie maximale Konterkniebeugensprünge durch. Ihre Laufgeschwindigkeit wurde auch bei einem Blutlaktatwert von 2 mmol/l und 4 mmol/l sowie ihre maximale Sauerstoffaufnahme getestet. Schließlich führten sie einen 5-Kilometer-Zeitlauf durch um die Auswirkungen der Interventionen auf die wichtigste Variable überhaupt – die Leistung – zu beurteilen.
Die Ergebnisse zeigten einen klaren und positiven Einfluss des plyometrischen Trainings. Bei den Pyramiden- und Polarisationsgruppen, die plyometrisches Training durchführten, verbesserte sich die Sprunghöhe bei Kniebeugen und Konterkniebeugen signifikant; während dies bei den anderen beiden Gruppen nicht der Fall war. Es überrascht vielleicht nicht, dass das Sprungtraining auch die Sprungleistung verbesserte – selbst wenn gleichzeitig anstrengendes Lauftraining durchgeführt wurde.
Interessanterweise beschränkte sich die positive Wirkung des plyometrischen Trainings nicht nur auf die Messung der Leistung. In den plyometrischen Trainingsgruppen wurden größere Verbesserungen der Laufgeschwindigkeit bei einer Blutlaktatkonzentration von 2 und 4 mmol/l festgestellt – obwohl alle Gruppen das gleiche Lauftraining absolvierten (siehe Abbildung 1)! Interessanterweise gab es nur begrenzte Änderungen beim maximalen Sauerstoffverbrauch; was darauf hindeutet, dass die Verbesserungen eher auf eine effizientere Laufökonomie oder einen Laktatstoffwechsel als auf den Sauerstoffverbrauch zurückzuführen sein könnten.
Abbildung 1: Wirkung von plyometrischem Training auf die Laufgeschwindigkeit bei einer Laktatschwelle von 4 mmol/l Einzelne Punkte und Linien = Diagramm für einzelne Läufer; Balken = Durchschnitt für die Gruppe.
Durch zusätzliches plyometrisches Training konnten die Läufer unabhängig vom Laufprogramm – das sie absolviert hatten – an der zweiten Laktatschwelle (4 mmol/l – die Intensität, ab der sehr schnell Ermüdung einsetzt) ein schnelleres Tempo halten. Beachte: Zwar verbesserten alle Trainingsgruppen ihre Leistung vor/nach dem Training; jedoch steigerten nur diejenigen Gruppen mit zusätzlichem plyometrischem Training ihre Leistung signifikant.
Der größte praktische Nutzen dieser Erkenntnisse liegt darin, dass alle Ausdauerläufer irgendeine Art von Plyometrie in ihr Trainingsprogramm einbauen sollten. Man kann das in dieser Studie verwendete spezifische Protokoll oder ein anderes Protokoll mit ähnlichem Aufbau und ähnlicher Zielsetzung umsetzen. Die Einbeziehung eines plyometrischen Programms kann Werte für Kraft, Geschwindigkeit und Ausdauer dramatisch verbessern.
Kurz gesagt: Das Sprungtraining beeinflusste jeden Aspekt der Leistung des Ausdauerläufers positiv. Was an dieser Art des Trainings so attraktiv ist: Vielleicht ist es der minimale Aufwand – den es erfordert! Bereits bei einer einzigen wöchentlichen Trainingseinheit mit insgesamt acht Einheiten wurden signifikante Leistungssteigerungen festgestellt; das ist eine große Rendite bei relativ geringem Zeitaufwand!
Laufökonomie mit und ohne Sprungtraining
blaue Kreise = durchschnittlicher Sauerstoffverbrauch pro Minute pro Kilo Körpergewicht bei den hüpfend trainierten Läufern; orange Kreise = durchschnittlicher Sauerstoffverbrauch bei den Läufern der Kontrollgruppe; vertikale Balken zeigen den Grad der Streuung der Ergebnisse innerhalb der Gruppe.
Der geringere Sauerstoffverbrauch bei den hüpfend trainierenden Läufern (blaue Kreise) zeigt an: Weniger Sauerstoff wurde benötigt – um dieses Tempo beizubehalten –, was eine bessere Laufökonomie bedeutet! Obwohl auch bei der hüpfenden Gruppe ein besserer Trend bei 10 km/h zu verzeichnen war; war der Unterschied nicht ganz groß genug – um als statistisch signifikant angesehen zu werden (eine Wiederholungsstudie mit einer größeren Gruppe von Läufern würde wahrscheinlich Signifikanz zeigen).
Auch das bei vielen Sportlern gehasste Lauf-ABC baut auf kleinen Sprüngen auf; dies ist auch ein Grund dafür – warum es uns schneller macht bzw. unsere Laufökonomie verbessert 😎.
Wenn du jedoch noch nie plyometrisches Training gemacht hast und es zu einem bestehenden Trainingsprogramm hinzufügen möchtest: Solltest du vorsichtig sein! Obwohl plyometrisches Training nicht unbedingt körperlich anstrengend ist; kann es eine erhebliche Belastung für Muskeln, Sehnen und Knochen darstellen (eine Belastung also – die letztendlich zur Leistungssteigerung dient). Wenn diese zusätzliche Belastung zu aggressiv eingeführt wird: Besteht Verletzungsgefahr.
Viel Spaß beim Ausprobieren! Auch hier gilt natürlich das Gleiche wie bei jedem anderen Training: Konstanz 😉
Quelle: Sportsperformancebulletin, Verweise: Scand J Med Sci Sports. 3. November 2022. doi: 10.1111/sms.14257, Sci Rep. 2023 Mar 13;13(1):4167